Die extreme Ungleichheit der Vermögen: Sprengstoff für unsere Gesellschaft

Die Vermögensungleichheit in Luxemburg birgt die Gefahr, unsere Gesellschaft zu spalten und unserer Wirtschaft zu schaden.

Sei es die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, die Klimakrise oder die Wohnungsnot – viele der gesellschaftlichen Probleme, die uns beschäftigen, lassen sich nicht in ihrer Gänze verstehen und lösen, ohne sich mit Ungleichheiten zu befassen.

Besondere Aufmerksamkeit müsste dabei der Ungleichheit der Vermögen und des Reichtums gewidmet werden, da sie andere Formen der Ungleichheit, einschließlich der Einkommensungleichheit, verstärkt.

In sozialen Analysen ist sie allerdings viel seltener anzutreffen als etwa die ungleiche Verteilung der Einkommen. Zudem wird sie von der Bevölkerung unterschätzt und gegenüber Einkommensungleichheit als kleiner empfunden, obwohl sie in den meisten Ländern deutlich ausgeprägter ist.

Auch in Luxemburg sind die Privatvermögen sehr ungleich verteilt und bei wenigen Reichen konzentriert.

Zur Veranschaulichung: Das durchschnittliche Jahreseinkommen der 10 % der einkommensstärksten Haushalte ist fast 10-mal so hoch wie das der 10 % der Einkommensschwächsten.

Bei Vermögen sieht das etwas anders aus. Die 10 % der Haushalte mit dem höchsten Vermögen besitzen durchschnittlich 1945-mal so viel wie die 10 % der ärmsten Haushalte, und immer noch 29-mal so viel wie insgesamt 50 % der Bevölkerung am unteren Rand der Vermögensverteilung.*

Die reichsten 10 % der Haushalte besitzen 50 % des gesamten Privatvermögens. Sie verfügen somit über das gleiche Vermögen wie die übrigen 90 % der Haushalte. Allein das oberste 1 % konzentriert 21 % des Gesamtvermögens.

In Geld ausgedrückt, verfügten im Jahr 2018 die 10 % der reichsten Haushalte durchschnittlich knapp 4,5 Millionen Euro, das reichste 1 % der Haushalte über 180 Millionen Euro.

Darüber hinaus sind auch die verschiedenen Kategorien von Vermögen und Reichtum, also Immobilien, Unternehmen, Finanzanlagen, usw., innerhalb der Bevölkerung sehr ungleich verteilt.

Mit Ausnahme des Hauptwohnsitzes befindet sich mehr als die Hälfte jeder Vermögenskategorie im Besitz von weniger als 10 % der Haushalte in Luxemburg. Beispielsweise besitzen innerhalb der Gesamtbevölkerung allein 10 % der Haushalte 84 % der Immobilien, die nicht als Hauptwohnsitz dienen. 10 % der Haushalte besitzen 97,8 % der Finanzanlagen.

Die aktuelle Steuerpolitik trägt stark zu dieser extremen Ungleichheit bei: Im Jahr 2006 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft. Die Besteuerung von Erbschaften in direkter Linie existiert nicht.

Hinzu kommt, dass die Einnahmen, die durch Vermögen/Kapital generiert werden (beispielsweise Dividenden), gegenüber Arbeitseinkommen steuerlich begünstigt werden.

Wir befinden uns also in folgender Situation: Wenn zwei Personen die gleiche Höhe an Einkommen beziehen, aber ein Einkommen durch Arbeit und das andere durch Kapital erzielt wird, zahlt die Person, die ihr Einkommen aus Kapital bezieht, weniger Steuern als die Andere. Im Gegensatz zu Arbeitseinkommen fließen diese Einnahmen zudem größtenteils in die Hände der Reichsten, also einer winzigen Minderheit der Bevölkerung.

Das luxemburgische Steuersystem privilegiert somit ohnehin schon Vermögende. Steuerbefreites Vermögen generiert steuerbegünstigte Einkünfte, die in neuen Vermögenserwerb reinvestiert werden können. Die Folge ist eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft.

Dazu gesellen sich Erbschaften – sie verstärken die bestehende Vermögensungleichheit.

Manche Politiker benutzen die Erbschaftssteuer als Kampfbegriff, um materielle Ängste der breiten Bevölkerung zu befeuern: Die nette Oma von nebenan ackert ihr Leben lang und darf dann ihren Enkeln nichts weitergeben.

Schaut man sich aber die reale Verteilung der Erbschaften an, erweckt sich der Eindruck, dass hier ein ideologischer Trick genutzt wird, der das Interesse einer wohlhabenden Minderheit zum Allgemeininteresse erklärt.

Es wäre problemlos möglich, einen Freibetrag zu finden, der garantiert, dass sich eine Erbschaftssteuer nicht auf kleinere und mittlere Erbschaften, also den „Durchschnittsbürger“, auswirkt, sondern nur hohe bis sehr hohe Erbschaften besteuert werden. Problemlos deswegen, weil auch Erbschaften sehr ungleich verteilt sind.

Im Jahr 2018 (letzte verfügbare Daten) haben nur knapp 30 % der Bevölkerung in Luxemburg tatsächlich geerbt. Dabei konzentrierten allein 10 % der ansässigen Haushalte fast 83 % des gesamten geerbten Vermögens, inklusive Schenkungen. Und nur etwa 3 % der Gesamtbevölkerung konzentrierten 53 % des gesamten Erbes in Luxemburg.

Chancengleichheit und Leistungsgesellschaft sind in diesem Zusammenhang eher Mythos als Realität.

Diese Tatsachen zeigen, dass politischer Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Ungleichheiten besteht, nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern auch, weil sie, wie sogar schon die OECD und der IWF feststellen mussten, schädlich für die Wirtschaft sind. Eine gerechtere Verteilung des Reichtums nutzt im Prinzip allen.

Und tatsächlich spricht sich laut Politmonitor 2022 eine Mehrheit der Bevölkerung für Maßnahmen aus, damit weniger Wohlhabende mehr Geld behalten können und damit diejenigen, denen es finanziell besser geht, mehr zum Allgemeinwohl beitragen. Generell also für Maßnahmen, die für mehr Steuergerechtigkeit sorgen sollen.

Die Zeit ist reif für eine progressive Steuerpolitik, die auch die Besteuerung von Vermögen beinhalten muss.

Eine progressive Vermögensteuer hätte ein enormes soziales und wirtschaftliches Potenzial, gerade jetzt, da sich das Land zahlreichen Herausforderungen stellen muss (Immobilienkrise, ökologischer und demografischer Wandel, usw.).

Sie wäre nicht nur nützlich, um die Ungleichheit des Reichtums zu verringern, sie könnte auch einen erheblichen Teil der öffentlichen Mittel generieren, die für die enormen Investitionen zur Bewältigung der vorher genannten Probleme erforderlich sind.

Laut einer 2021 veröffentlichten Studie der Ökonomen Kapeller, Leitch und Wildauer hätte eine progressive Vermögenssteuer, mit einer Progression von 2 bis 10 %, im Jahr 2018 dem Staat zusätzlich etwa 3,9 Milliarden Euro einbringen können. Dieses Beispiel einer Vermögenssteuer setzt erst ab 2 Millionen Euro Privatvermögen an. Mit diesem Freibetrag würde die Steuer nur 9 %, also weniger als 10 % der reichsten Haushalte in Luxemburg betreffen.

Materielle und soziale Sicherheit für einen Großteil der Bevölkerung, sowie für zukünftige Generationen, sind keine Utopie. Die jetzigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind kein Naturgesetz, sondern sehr wohl zugunsten einer Mehrheit der Bevölkerung veränderbar.

Die Politik muss dann aber auch handeln und nicht weiterhin ihren Kopf im Sand vergraben.


*Alle Zahlen im Artikel stammen, so weit nicht anders angegeben, aus der Luxembourg Wealth Study sowie der Luxembourg Income Study.